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Mittwoch, 11. Juni 2014

11.06.2014 Hochzinsanleihen Anlegerabzocke in drei Akten Unternehmen, Banker und Berater kassieren bei Mittelstandsanleihen systematisch ab. Die Schmierenkomödie ist immer gleich, nur die Darsteller wechseln. Auf welche Dramaturgie Anleger hereinfallen. Viele Anleger haben mit hochverzinsten Mittelstandsanleihen schon Geld verloren, als die Unternehmen pleite gingen. Bis dahin folgt der Ablauf oft einer Dramaturgie wie bei einem Theaterstück.

11.06.2014 Hochzinsanleihen Anlegerabzocke in drei Akten Unternehmen, Banker und Berater kassieren bei Mittelstandsanleihen systematisch ab. Die Schmierenkomödie ist immer gleich, nur die Darsteller wechseln. Auf welche Dramaturgie Anleger hereinfallen. Viele Anleger haben mit hochverzinsten Mittelstandsanleihen schon Geld verloren, als die Unternehmen pleite gingen. Bis dahin folgt der Ablauf oft einer Dramaturgie wie bei einem Theaterstück.

11.06.2014
Hochzinsanleihen
Anlegerabzocke in drei Akten
Unternehmen, Banker und Berater kassieren bei Mittelstandsanleihen
systematisch ab. Die Schmierenkomödie ist immer gleich, nur
die Darsteller wechseln. Auf welche Dramaturgie Anleger hereinfallen.
Viele Anleger haben mit hochverzinsten Mittelstandsanleihen schon Geld verloren,
als die Unternehmen pleite gingen. Bis dahin folgt der Ablauf oft einer Dramaturgie
wie bei einem Theaterstück.
Am Anleihemarkt sieht es in letzter Zeit oft so aus, als ob gewiefte Anwälte und pfiffige
Banker den Spielplan schon vorab geschrieben hätten. Meist fängt der erste Akt
so an: Ein klammes Unternehmen benötigt dringend Geld, die Bank will schließlich
nichts mehr geben. Also legt es eine Hochzinsanleihe auf, auch Junkbond genannt –
übersetzt Schrottanleihe, Müll eben.
Damit Anleger anbeißen, werden sie nicht nur mit einem hohen Zins von um die sieben,
acht Prozent geködert. Um Sicherheit zu suggerieren, bekommen sie zusätzlich
die Zusicherung, dass das Unternehmen Finanzkennzahlen einhalten wird
(Covenants). Sinkt dann etwa die Eigenkapitalquote unter eine vorab festgelegte
Schwelle, dürfen Anleger ihr Geld zurückfordern.
Zur Regeländerung erpresst
Allein in der Praxis funktioniert das nicht: Immer, wenn ein Unternehmen Covenants
reißt, wird Anlegern die Pistole auf die Brust gesetzt. Falls sie nicht zustimmten, dass
die Regeln geändert würden, wäre das Unternehmen pleite, ihr Geld futsch. Die anfänglich
vollmundig versprochenen Garantien erweisen sich als gut aufgeführtes
Schauspiel.
Heftig ging es zuletzt bei Mifa zu: Die Anleihe kam im August, Mifa sammelte 25 Millionen
Euro ein. Gläubiger dürfen kündigen, wenn die Eigenkapitalquote unter 25
Prozent sinkt. Kürzlich hat der Fahrradhersteller dann für 2013 und das Vorjahr Bilanzierungsfehler
eingeräumt. Bilanzverlust: Circa 28 Millionen Euro. Nun sollen Anleger
bis zum 13. Juni abstimmen, ob sie Zinsen stunden, sie sollen auch den "vorübergehenden
Ausschluss von Kündigungsrechten" beschließen. Falls nicht, dürfte
wohl die Sanierung scheitern.
Eigentümergeld lockt weitere Anleger
Nichts fürchten Banker und Unternehmer mehr, als dass die Platzierung floppt und
nicht genug Geld zusammenkommt. Hier greifen sie in die Trickkiste: Reichen
Covenants nicht aus, um Anleger zu ködern, nehmen Eigentümer Geld in die Hand.
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Immer wieder hört man, dass privat Millionen in eigene Papiere investiert wurden –,
die aber schnell wieder verkauft werden, nachdem man Anlegern die Jubelnachricht
überbracht hat, dass das Ding platziert werden konnte. Für Sparer sieht es dann so
aus, als ob die Anleihe ein voller Erfolg wäre.
Anleihen des Start-ups MBB Clean Energy, berichtete das Manager Magazin, sollen
gar gratis geliefert worden sein. "Ohne Bezahlung hat die Gesellschaft keine wirksamen
Bonds ausgegeben", schreibt der Wind- und Solarparkfinanzierer dazu in einer
Stellungnahme für die WirtschaftsWoche.
Das klingt, als sei hinter den Kulissen etwas gewaltig schief gelaufen. Seine Zinsen
jedenfalls ist das Unternehmen wochenlang schuldig geblieben. Offenbar gibt es
Probleme mit der Abwicklung, weil bestimmte Investoren auf Zinsen verzichtet haben
sollen, aber für einen wirksamen Verzicht noch nicht alle notwendigen Dokumente
vorliegen.
Wie eine Erfolgsgeschichte
Allgemein gilt: Wenn Anleihen gratis ausgegeben werden, dann sieht es nach außen
hin aus wie eine Erfolgsgeschichte. Das Manöver könnte andere Anleger daher dazu
verleiten, echtes Geld zu investieren. So oder so: MBB hat jetzt die Globalurkunde
seiner Anleihe für "unwirksam" erklärt, in der die Rechte aller Anleger auf ihren jeweiligen
Anteil verbrieft ist.
"Die Ansprüche der berechtigten Gläubiger werden bedient. Die Zinsen sind auf einem
Treuhandkonto hinterlegt", hieß es dazu in einer Mitteilung.
Hilft alles nichts mehr, so hört man, sollen auch gerne mal Kick-backs an Verkäufer
fließen: Diese verdeckten Provisionen machen es manch einem schmackhaft, eine
Schrottanleihe zu verticken.
Der zweite Akt ist nicht weniger bedenklich: Er heißt Aufstockung. Meist wird dieses
Schauspiel allerdings hinter den Kulissen aufgeführt. Anleger bekommen dann meist
nur noch die Vollzugsmeldung, dass das Unternehmen im Rahmen einer Privatplatzierung
frische Millionen aufgenommen hat. Folge: Schulden und Zinslast für das
Unternehmen steigen, jeder vorher investierte Anlegereuro wird wackeliger. Dem
Tütensuppenhersteller Zamek ist der Nachschlag nicht bekommen: Über eine Anleihe
hatte Zamek erst 35 Millionen Euro gepumpt und später zehn nachgelegt. Ein
Jahr später war Zamek pleite.
Kritische Eigenverwaltung
Nun geht das Drama um Zamek weiter: Mit Vorliebe sanieren sich Unternehmen
nämlich in eigener Verwaltung. Hier hat der Sanierungsvorstand die Macht über den
Insolvenzplan, aus dem eine Quote für Anleger hervorgeht. Zamek-Gläubiger haben
jetzt beim Amtsgericht Düsseldorf beantragt, das Insolvenzverfahren in eigener Verwaltung
aufzuheben. Sie vertrauen dem noch von der alten Zamek-Geschäftsführung
eingesetzten Sanierer nicht und streben ein normales Insolvenzverfahren an.
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Mittlerweile hat selbst Nikolaos Antoniadis, Sanierungsgeschäftsführer der Holding,
die die Anleihe ausgegeben hat, einen eigenen Antrag auf das Ende der Eigenverwaltung
gestellt. Das Amtsgericht bestätigte der Redaktion, dass sein Antrag vorliege.
"Wenn der Insolvenzverwalter bestellt wird, lege ich selbstverständlich gerne
auch mein Amt als Geschäftsführer nieder", sagte er der WirtschaftsWoche.
Hinter den Kulissen gibt es bei Zamek Streit um die Betriebsimmobilie samt Grundstück.
Laut Antoniadis ist das Werksgelände plus Immobilie zuletzt von einem Gutachter
mit 13,7 Millionen Euro bewertet worden. Beides wurde im vergangenen Jahr
von einer operativen Tochter auf die Anleiheemittentin übertragen. Damit ist es das
einzig wirklich werthaltige Asset, aus dem die Anleihegläubiger noch Kapital schlagen
könnten.
Problem: Grundstück und Immobilie gehören den Gläubigern, das operative Geschäft
aber nicht. Das operative Geschäft liegt bei den Töchtern. Nun soll Zamek verkauft
werden. Aber: "Es wird natürlich viel schwieriger, einen Investor für das operative
Geschäft zu finden, wenn dieser die bisherige Immobilie nicht nutzen kann. Damit
würde man die Chancen für die Fortführung des Betriebs und die Rettung der Arbeitsplätze
verschlechtern. Das kann nicht im Sinne des Unternehmens sein", sagt
Antoniadis. Gläubiger aber wollen einen isolierten Verkaufsprozess für ihre Assets.
Problem zwei: Der Kaufpreis für die Immobilie ist mit offenen Darlehensansprüchen
verrechnet worden. "Der Sachwalter der ebenso insolventen operativen Zamek-
Tochter hat die Übertragung der Immobilie und des Grundstückes bereits angefochten",
sagt Antoniadis.
Wäre er erfolgreich, gingen die Anleihe-Gläubiger wahrscheinlich weitgehend leer
aus, da die operativen Töchter zunächst 18 bis 20 Millionen Euro an vorrangigen
Verbindlichkeiten bedienen müssen, bevor Ansprüche der Anleihe-Gläubiger berücksichtigt
werden können. Und unter Experten gilt es als wahrscheinlich, dass die Anfechtung
Erfolg hat, schließlich ist die Übertragung kein Jahr vor der Insolvenz passiert.
Anlegern wird langsam klar, dass sie einer leeren Hülle Geld geliehen haben.
Alarmstufe Rot
Fast schon einplanen müssen Anleger – insbesondere bei Mittelstandsanleihen –,
dass das Rating nach der Emission absackt, oft begleitet von einem Kursverfall der
Anleihe. Alarmstufe Rot ist spätestens gegeben, wenn das Unternehmen in ein niedrigeres
Anleihesegment der Börse wechselt – in Frankfurt also zum Beispiel vom Entry
Standard in das Quotation Board.
Anleger können die Bonds dann zwar noch handeln, das Unternehmen aber ist nicht
mehr zu einer so hohen Transparenz wie vorher verpflichtet – Anleger müssen mit
weniger Informationen rechnen. Die Zahlen sollen sie wohl auch nicht mehr zu Gesicht
bekommen, schließlich könnten sie dann sehen, wie schlecht es um das Unternehmen
steht. Auf einen Segmentwechsel jedenfalls folgte in der Vergangenheit
meist die Pleite – Windreich oder Payom Solar (Solen) sind traurige Beispiele.
Der Online-Spiele-Vermarkter Gamigo plant aktuell einen Segmentwechsel. Die Anleihe
wechselt zum 20. Juni vom Entry Standard in das tiefere Handelssegment Quotation
Board. Als Grund führt Gamigo die Kosten an. Ein Witz: Die jährlichen Gebüh4
ren liegen im Entry Standard bei gerade mal 5.000 Euro – und Kosten für Finanzberichte
will Gamigo nicht einsparen, die kämen angeblich weiterhin wie bislang. Davon
abgesehen entwickele sich Gamigo natürlich "weiter positiv", meldet die Spielebude.
Komisch nur, dass der Bond nur noch bei rund 65 statt 100 Prozent notiert.
Fürstliche Entlohnung
Kommt es zum Showdown, betreten neue Darsteller die Bühne: Eigen- und Insolvenzverwalter,
Unternehmensberater, Sachwalter, Gläubigervertreter –, viele Berater
und Anwälte jedenfalls, die es bestens verstehen, die Leiche zu fleddern. Leider jedoch
bleibt am Ende meist wenig übrig für Anleger, die Krisenmanager jedoch entlohnen
sich fürstlich.
Oft steht im Skript der Insolvenzspezialisten ein Debt-to-Equity-Swap – Solarworld
lässt grüßen. Er kommt durch die Umwandlung von Schulden in Aktien einer Enteignung
der Altaktionäre gleich. Der Solarzulieferer 3W Power etwa hat zuletzt 50 Prozent
des ausstehenden Anleihenennwerts, also 50 Millionen Euro, in Aktien getauscht.
Angeblich droht ein Swap auch den Gläubigern des Traumschiffes MS
Deutschland – ein Journalistenkollege will in einer Unternehmenspräsentation des
Mehrheitseigners Callista diese Option entdeckt haben. Callista war dazu nicht zu
sprechen.
Gläubiger fahren mit dem Tausch nicht zwangsläufig besser, wollten sie doch hohe
Zinsen kassieren und nicht Anteilseigner eines klammen Konzerns werden. Zumal es
von der weiteren Unternehmensentwicklung abhängt, was ihre Beteiligung wert ist.
Der Gesellschaft kann das egal sein, sie ist entschuldet – gegen den Willen von
Gläubigern und Aktionären.
Besser, aber nicht unbedingt zugunsten von Anlegern, läuft es, wenn es gut läuft.
Das Zauberwort heißt Call-Option. Sie berechtigt ein Unternehmen dazu, seine Anleihe
zu vorab festgelegten Terminen und Konditionen zu kündigen. Brummt das Geschäft
und ist plötzlich Geld da, zieht der Finanzchef den Anlegern ihre sichere Anleihe
unter dem Hintern weg. Beispiel Nabaltec: Das Chemieunternehmen zahlte seinen
Bond zu 100 Prozent zurück – wer über 100 gekauft hatte, verlor selbst bei dem
sicheren Schuldner Geld.
100 Prozent sind oft zu wenig
Gleiches droht bei Dürr: Der Maschinenbauer hat Ende März 300 Millionen Euro eingesammelt.
Zwar hat das Unternehmen noch nicht über eine vorzeitige Kündigung
seiner im Jahr 2010 emittierten Anleihe entschieden. Ein umsichtiger Finanzchef
müsste es aber tun: Gemäß den Anleihebedingungen kann Dürr den Bond im September
2014 kündigen und Anleger zu pari auszahlen (100 Prozent). Wer heute zu
105 Prozent kauft, könnte Geld verlieren – der Kupon kompensiert eben "nur" 7,25
Prozent.
Der Vorhang fiel in den letzten Monaten häufig – doch Ausfälle wie bei Zamek, Rena,
Windreich, S.A.G. Solarstrom, 3W Power oder Mifa werden dennoch keine Ausnahme
bleiben. Die Zugabe wird noch kommen: Spätestens ab 2015 laufen Junkbonds
im Wert von vielen Milliarden Euro aus.
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Ja, die Zinsen sind niedrig, Anleger verdienen mit sicheren Bonds nichts mehr. Aber
weniger ist halt oft immer noch mehr.

http://www.wiwo.de/finanzen/boerse/hochzinsanleihen-anlegerabzocke-in-drei-akten-seite-all/10015702-all.html